Leptothorax acervorum: Unterschied zwischen den Versionen

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| Autor = (Fabricius, 1793)
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| Bildbeschreibung = ''L. acervorum'' Arbeiterinnen
| Heimat = Mitteleuropa, bis 71° Nord
| Verbreitung = Mitteleuropa, bis 71° Nord
| Gruendung = semiclaustral
| Habitat          = Totholz meist Mischwald; Steinspalten und andere kleine Hohlräume
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'''''Leptothorax acervorum''''' (Unterfamilie [[Myrmicinae]]) ist eine der häufigsten Ameisenarten in Mittel- und Nordeuropa. Sie ist über ganz Eurasien verbreitet und kommt auch in Kanada und Alaska vor (wobei die Artzugehörigkeit der dortigen "''L. acervorum''" noch etwas zweifelhaft ist). Laut Seifert 2007 kommt ''L. acervorum'' des Weiteren bis 150 km jenseit der Baumgrenze der Arktis vor, und stellt im Lena-Delta im Ust-Lenski-Reservat bei 73° Nord das nördlichste Ameisenvorkommen der Welt.
'''''Leptothorax acervorum''''' (Unterfamilie [[Myrmicinae]]) ist eine der häufigsten Ameisenarten in Mittel- und Nordeuropa.  


==Verbreitung==
Die Art ist über ganz Eurasien weit verbreitet und kommt auch in Kanada und Alaska vor, wobei die Artzugehörigkeit der dortigen "''Leptothorax acervorum''" noch etwas zweifelhaft ist. ''Leptothorax acervorum'' kommt des Weiteren bis 150&nbsp;km jenseits der Baumgrenze der Arktis vor, und stellt im Lena-Delta im Ust-Lenski-Reservat bei 73° Nord das nördlichste Ameisenvorkommen der Welt dar.<ref>: Bernhard Seifert: ''Die Ameisen Mittel- und Nordeuropas'' - Lutra Verlags- und Vertriebsgesellschaft, Görlitz/Tauer 2007, ISBN 978-3-936412-03-1.</ref>
==Lebensraum==
Die meist relativ kleinen Völker (bis ca. 200 Adulte, selten auch bis gegen 1.500) leben meist in Totholz am Boden lichter Wälder. Mancherorts sind sie auch in Gesteinsspalten anzutreffen.
Die meist relativ kleinen Völker (bis ca. 200 Adulte, selten auch bis gegen 1.500) leben meist in Totholz am Boden lichter Wälder. Mancherorts sind sie auch in Gesteinsspalten anzutreffen.


Als Nahrung dienen kleine Arthropoden sowie von Baumläusen abgespritzter Honigtau. Trophobiose mit Pflanzenläusen gibt es nicht.
==Ernährung==
Als Nahrung dienen kleine Arthropoden sowie [[Honigtau]] von Baumläusen. [[Trophobiose]] mit Pflanzenläusen wurde nicht nachgewiesen.
 
==Merkmale==
[[Bild:Leptothorax acervorum (Icon) Nest März.jpg|thumb|250px| ''L. acervorum'' -Naturnest]]Die Art ist "fakultativ polygyn", d. h. dass manche Nester nur eine, andere zwei oder mehr reproduktive Königinnen enthalten. Durch [[Dokumentation von Ameisen|Präparation]] ließ sich nachweisen, dass auch in ältere Völker immer wieder neue Jungköniginnen aufgenommen werden. Jedoch machen die Tiere einen [[Hochzeitsflug]], so dass das Verpaaren von Jungtieren im Labor nicht gelingt. Hingegen wurden bei spanischen Populationen derselben Art beobachtet, dass deren Weibchen am Boden "sterzeln" und sich gezielt im Labor verpaaren lassen.
 
In einem Flugzelt von ca. 2 m Höhe mit entsprechenden Licht- und Temperaturbedingungen wurden gegen 200 Jungweibchen von L. acervorum aus Deutschland und ebenso viele Männchen eingesetzt um sie „fliegen“ zu lassen. Der Apparat war dicht, und am Ende der Flugaktivitäten konnten alle Weibchen wieder gefunden werden, fast alle entflügelt. Sie alle wurden seziert, aber nur ganze zwei hatten Sperma im Receptaculum seminis. Der Rest war unbegattet.<ref>Bericht im AmeisenForum zu finden unter: http://www.ameisenforum.de/265697-post8.html</ref>
 
''Leptothorax acervorum'' ist die einzige Wirtsart für drei arbeiterlose [[Sozialparasitismus|Sozialparasiten]]:
*''[[Leptothorax goesswaldi]]''
*''[[Leptothorax kutteri]]''
*''[[Leptothorax pacis]]''
*sowie die Hauptwirtsart für den Sklaven haltenden ''[[Harpagoxenus sublaevis]]''
 
Die Tiere bevorzugen Tagestemperatur-Rhythmen, im Sommer nachts 15-20°C, tagsüber mehr als 30°C. Ausserdem vertragen sie kurzfristig Temperaturen bis zu 52°C. Temperaturen im Winter bei tags um die 10°C, nachts gegen Null oder -1°C; bis minus 27°C werden ohne Probleme vertragen. Unter geeigneten "Temperaturprogrammen" sind sie mit 6 Wochen Winter zufrieden, und es lassen sich im Labor in verkürzten Jahreszyklen bis zu dreimal im Jahr Geschlechtstiere produzieren, statt einmal in der Natur.
 
'''Leptothorax acervorum: Funktionell monogyne Populationen'''
 
In Randgebieten des Areals von ''Leptothorax acervorum'' gibt es Populationen mit funktioneller [[Monogynie]] vergleichbar mit [[Leptothorax gredleri]]. Ein Volk enthält stets nur eine fertile Königin, kann daneben aber mehrere begattete Weibchen haben, die zum Teil nach einer Überwinterung unter Ausbildung von Dominanzhierarchien aus dem Nest gedrängt werden, zum Teil auch für längere Zeit im Nest bleiben. Bekannt sind solche Populationen aus Alaska, aus Nord-Japan und aus den Gebirgen in Spanien. Letztere wurden in mehreren Untersuchungen in ausgiebig untersucht.<ref>Artikel http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/276/1677/4423.full.pdf</ref>
Bereits 1999 wurde die funktionelle Monogynie einer der spanischen Populationen dokumentiert.<ref>Felke, M., Buschinger, A. (1999): Social organization, reproductive behaviour and ecology of Leptothorax acervorum (Hymenoptera, Formicidae) from the Sierra de Albarracin in central Spain. - Insectes sociaux 46, 84-91.</ref>
 
Weiteres zur „funktionellen Monogynie“ der spanischen Populationen von Leptothorax acervorum:
“''Vicious queen ants use mob tactics to reach the top''”.
Es geht um funktionell monogyne Populationen von Leptothorax acervorum in den Hochlagen einiger der spanischen Sierren.


Die Art ist "fakultativ polygyn", d. h. dass manche Nester nur eine, andere zwei oder mehr reproduktive Königinnen enthalten. Durch Präparation ließ sich nachweisen, dass auch in ältere Völker immer wieder neue Jungköniginnen aufgenommen werden. Jedoch machen die Tiere einen Hochzeitsflug, so dass das Verpaaren von Jungtieren im Labor nicht gelingt. (Das ist übrigens anders bei einer spanischen Population derselben Art, deren Weibchen am Boden "sterzeln" und sich gezielt im Labor verpaaren lassen.)
http://www.eurekalert.org/pub_releases/2011-09/bc-vqa092811.php


''Leptothorax acervorum'' ist die einzige Wirtsart für drei arbeiterlose Sozialparasiten, ''[[Leptothorax goesswaldi]]'', ''[[Leptothorax kutteri|L. kutteri]]'', ''[[Leptothorax pacis|L. pacis]]'', sowie die Hauptwirtsart für den Sklaven haltenden ''[[Harpagoxenus sublaevis]]''.  
==Siehe auch==
*Ein Beitrag zur Larvenernährung bei ''Leptothorax acervorum'' mit Bildern findet sich hier: [[Ernährung von Larven]].


Die Tiere lieben Tagestemperatur-Rhythmen (im Sommer nachts 15-20° C, tagsüber mehr als 30° C, sie vertragen kurzfristig 52° C! Im Winter geht's am besten mit tags 10° C, nachts Null oder -1° C; bis minus 27° C wird locker vertragen). Unter geeigneten Temperaturprogrammen sind sie mit 6 Wochen Winter zufrieden, und es lassen sich in verkürzten Jahreszyklen bis zu dreimal im Jahr Geschlechtstiere produzieren (statt einmal in der Natur).
==Literatur==
*Felke, M., Buschinger, A. (1999): Social organization, reproductive behaviour and ecology of Leptothorax acervorum (Hymenoptera, Formicidae) from the Sierra de Albarracin in central Spain. - Insectes sociaux 46, 84-91.


Ein Beitrag zur Larvenernährung bei ''L. acervorum'' (mit Bildern) findet sich hier: [[Ernährung von Larven]].
==Einzelnachweise==
<references />

Aktuelle Version vom 5. Mai 2012, 12:06 Uhr

Leptothorax acervorum
L. acervorum ArbeiterinnenL. acervorum Arbeiterinnen
Systematik
Unterfamilie: Myrmicinae
Gattung: Leptothorax
Art: Leptothorax acervorum
Weitere Informationen
Verbreitung: Mitteleuropa, bis 71° Nord
Habitat: Totholz meist Mischwald; Steinspalten und andere kleine Hohlräume
Gründung: semiclaustral
Königinnen: polygyn
max. Koloniegröße: meist 200
Wissenschaftlicher Name
Leptothorax acervorum

(Fabricius, 1793)

Leptothorax acervorum (Unterfamilie Myrmicinae) ist eine der häufigsten Ameisenarten in Mittel- und Nordeuropa.

Verbreitung

Die Art ist über ganz Eurasien weit verbreitet und kommt auch in Kanada und Alaska vor, wobei die Artzugehörigkeit der dortigen "Leptothorax acervorum" noch etwas zweifelhaft ist. Leptothorax acervorum kommt des Weiteren bis 150 km jenseits der Baumgrenze der Arktis vor, und stellt im Lena-Delta im Ust-Lenski-Reservat bei 73° Nord das nördlichste Ameisenvorkommen der Welt dar.[1]

Lebensraum

Die meist relativ kleinen Völker (bis ca. 200 Adulte, selten auch bis gegen 1.500) leben meist in Totholz am Boden lichter Wälder. Mancherorts sind sie auch in Gesteinsspalten anzutreffen.

Ernährung

Als Nahrung dienen kleine Arthropoden sowie Honigtau von Baumläusen. Trophobiose mit Pflanzenläusen wurde nicht nachgewiesen.

Merkmale

L. acervorum -Naturnest

Die Art ist "fakultativ polygyn", d. h. dass manche Nester nur eine, andere zwei oder mehr reproduktive Königinnen enthalten. Durch Präparation ließ sich nachweisen, dass auch in ältere Völker immer wieder neue Jungköniginnen aufgenommen werden. Jedoch machen die Tiere einen Hochzeitsflug, so dass das Verpaaren von Jungtieren im Labor nicht gelingt. Hingegen wurden bei spanischen Populationen derselben Art beobachtet, dass deren Weibchen am Boden "sterzeln" und sich gezielt im Labor verpaaren lassen.

In einem Flugzelt von ca. 2 m Höhe mit entsprechenden Licht- und Temperaturbedingungen wurden gegen 200 Jungweibchen von L. acervorum aus Deutschland und ebenso viele Männchen eingesetzt um sie „fliegen“ zu lassen. Der Apparat war dicht, und am Ende der Flugaktivitäten konnten alle Weibchen wieder gefunden werden, fast alle entflügelt. Sie alle wurden seziert, aber nur ganze zwei hatten Sperma im Receptaculum seminis. Der Rest war unbegattet.[2]

Leptothorax acervorum ist die einzige Wirtsart für drei arbeiterlose Sozialparasiten:

Die Tiere bevorzugen Tagestemperatur-Rhythmen, im Sommer nachts 15-20°C, tagsüber mehr als 30°C. Ausserdem vertragen sie kurzfristig Temperaturen bis zu 52°C. Temperaturen im Winter bei tags um die 10°C, nachts gegen Null oder -1°C; bis minus 27°C werden ohne Probleme vertragen. Unter geeigneten "Temperaturprogrammen" sind sie mit 6 Wochen Winter zufrieden, und es lassen sich im Labor in verkürzten Jahreszyklen bis zu dreimal im Jahr Geschlechtstiere produzieren, statt einmal in der Natur.

Leptothorax acervorum: Funktionell monogyne Populationen

In Randgebieten des Areals von Leptothorax acervorum gibt es Populationen mit funktioneller Monogynie vergleichbar mit Leptothorax gredleri. Ein Volk enthält stets nur eine fertile Königin, kann daneben aber mehrere begattete Weibchen haben, die zum Teil nach einer Überwinterung unter Ausbildung von Dominanzhierarchien aus dem Nest gedrängt werden, zum Teil auch für längere Zeit im Nest bleiben. Bekannt sind solche Populationen aus Alaska, aus Nord-Japan und aus den Gebirgen in Spanien. Letztere wurden in mehreren Untersuchungen in ausgiebig untersucht.[3] Bereits 1999 wurde die funktionelle Monogynie einer der spanischen Populationen dokumentiert.[4]

Weiteres zur „funktionellen Monogynie“ der spanischen Populationen von Leptothorax acervorum: “Vicious queen ants use mob tactics to reach the top”. Es geht um funktionell monogyne Populationen von Leptothorax acervorum in den Hochlagen einiger der spanischen Sierren.

http://www.eurekalert.org/pub_releases/2011-09/bc-vqa092811.php

Siehe auch

  • Ein Beitrag zur Larvenernährung bei Leptothorax acervorum mit Bildern findet sich hier: Ernährung von Larven.

Literatur

  • Felke, M., Buschinger, A. (1999): Social organization, reproductive behaviour and ecology of Leptothorax acervorum (Hymenoptera, Formicidae) from the Sierra de Albarracin in central Spain. - Insectes sociaux 46, 84-91.

Einzelnachweise

  1. ^ : Bernhard Seifert: Die Ameisen Mittel- und Nordeuropas - Lutra Verlags- und Vertriebsgesellschaft, Görlitz/Tauer 2007, ISBN 978-3-936412-03-1.
  2. ^ Bericht im AmeisenForum zu finden unter: http://www.ameisenforum.de/265697-post8.html
  3. ^ Artikel http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/276/1677/4423.full.pdf
  4. ^ Felke, M., Buschinger, A. (1999): Social organization, reproductive behaviour and ecology of Leptothorax acervorum (Hymenoptera, Formicidae) from the Sierra de Albarracin in central Spain. - Insectes sociaux 46, 84-91.