Pseudogynen / Secretergate / Viren

Aus Ameisenwiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Pseudogynen“ ("Schein-Königinnen") sind bei Waldameisen bereits lange bekannt. Man hat sie zunächst so genannt, weil sie normalen Königinnen etwas ähnlich sehen und weil man nicht wusste, was sie zu bedeuten haben. Zeitweilig hatte man den Gastkäfer Lomechusa strumosa im Verdacht, für die Entstehung von Pseudogynen verantwortlich zu sein. Inzwischen weiß man, dass die Tiere enorm angeschwollene Labialdrüsen (Speicheldrüsen) haben. Diese liegen bei Ameisen im Thorax, mit Ausführgang zum Mund. Ursache ist ein Virus. Ausbreitungs- und Infektionswege sind weitgehend unbekannt.

Pseudogynen kommen bei Formica im weiteren Sinne, also auch bei Serviformica und ganz besonders (!) bei Raptiformica sanguinea vor. Ob es in Nachbarländern, etwa im Mittelmeerraum, andere Erreger gibt, weiß man nicht. Auch ist unbekannt, ob wirklich nur die deformierten Individuen infiziert sind, oder ob auch Tiere den Erreger beherbergen können, denen man äußerlich nichts ansieht. Die Infektion erfolgt wahrscheinlich im Larvenstadium (ob ausschließlich?), denn nur so lässt sich erklären, dass die Tiere bereits im Puppenstadium den auffallend buckligen Thorax entwickeln.

Dass R. sanguinea besonders häufig infiziert ist, liegt wahrscheinlich daran, dass sie eben dank ihrer Raubzüge mit vielen Völkern von Serviformica spp. in Kontakt kommt, somit öfter mal an ein infiziertes Volk gerät.

Einschlägige Untersuchungen liegen vor von E.T.G. Elton (1989): “On transmission of the labial gland disease in Formica rufa and Formica polyctena (Hym., Formicidae)“. Proceedings Koninkl. Nederl. Akad. Wetenschappen Ser. C vol. 92, S. 415-452. Die Erkrankung wird hier "Labialdrüsenkrankheit" (labial gland disease) genannt. Sie wird von den Pseudogynen bei Fütterung von Labialdrüsensekret (das ist zuckerhaltig) auf Larven übertragen. Nicht alle Larven werden infiziert. "Normale" Arbeiterinnen und Königinnen scheinen die Krankheit nicht zu übertragen und sollen auch als Adulte nicht daran erkranken, wenn sie von einer Pseudogyne gefüttert werden.

In der Arbeit werden "Secretergate" (infizierte Arbeiterinnen), "Secretogyne" (Königinnen) und "Secretaner" (Männchen) unterschieden. "Secretogyne", also Königinnen, die dank der Erkrankung noch buckliger sind als normale, können begattet werden und Eier legen; allerdings gibt es auch solche Tiere, die trotz Begattung keine Eier ablegen.

Ebenfalls von E.T.G. Elton, in "Insectes Sociaux" 38, S. 91-93, 1991, wurde veröffentlicht, dass der Erreger noch unbekannt sei. Auch bei einigen nordamerikanischen Formica-Arten kommen "Secretomorphe" (= zusammenfassender Begriff für betroffene Männchen, Weibchen und Arbeiterinnen) vor. Nach dieser Arbeit ist die Erkrankung ein erheblicher Mortalitätsfaktor, verursacht also Todesfälle unter den infizierten Tieren.

In einem der Ameisenforen schrieb ein User „exe“: „Bei Formica japonica wurden anscheinend auch Pseudogynen gefunden“.

Immer wieder muss darauf hingewiesen werden, dass fremdländische Ameisen bei uns nicht nur selbst zur Gefahr werden können, sondern dass sie auch - zumeist völlig unbekannte - Parasiten und Krankheitserreger mitbringen, die unter Umständen für unsere heimischen Arten zur Gefahr werden können. Aber auch für diese "einheimische" Infektion gilt, dass man ihre Ausbreitung in andere, noch nicht befallene Populationen durch Verschleppung von und Handel mit Ameisen keinesfalls fördern sollte.

Ein paar Bilder gibt es hier.