Termiten

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Version vom 16. November 2005, 17:29 Uhr von A. Buschinger (Diskussion | Beiträge) (Wird Harz von Ameisen zu Hygienezwecken benutzt?)
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„Selbstmedikation von Ameisen mit Harz“

– So oder ähnlich waren in jüngerer Zeit einige Berichte in verschiedenen Presseorganen betitelt. Waldameisen, speziell die im Schweizer Jura häufige Formica paralugubris, tragen Harzbröckchen von Nadelbäumen ein und lagern sie auf den Nesthügeln ab. Baumharz wirkt in gewissem Umfang antibiotisch, kann teilweise Pilzsporen und Bakterien abtöten. Die an der Universität Lausanne arbeitende Forschergruppe von Michael Chapuisat hat sich der Sache angenommen und wollte herausfinden, ob die Waldameisen das Harz tatsächlich eintragen um ihr Nestmaterial zu sterilisieren, damit also eine „Selbstmedikation“ betreiben.

http://www.unil.ch/dee/page7000_en.html

So ein scheinbar „kluges“ Verhalten von so niederen Organismen wie Ameisen ruft natürlich Aufsehen hervor und veranlasst so manchen Journalisten, die Berichte der Gruppe mehr oder weniger wahrheitsgetreu weiter zu interpretieren und auszumalen. Was daran ist Tatsache? –

Dass Waldameisen trockene Harzbröckchen in ihre Nester eintragen und in die Nestkuppel einbauen, ist schon sehr lange bekannt. Nach Messungen der Gruppe Chapuisat können das in einem einzigen Nesthügel bis zu 20 kg werden. Das Harz wird besonders bei Sonneneinstrahlung weich, verklebt die oberen Nadelschichten, verfestigt den Bau und kann auch eine gewisse Imprägnierung gegen Regenwasser bewirken.

Der letzte Bericht der Gruppe Chapuisat stammt von Januar 2003 (siehe o.a. URL). Ob die Forscher weiter gekommen sind, lässt sich im Moment nicht sagen. Interessant wäre vor allem die Frage, ob die Ameisen diese Harzbröckchen „absichtlich“ eintragen „um“ die genannten Effekte zu erzielen, oder ob sie die Klümpchen nur als Nestmaterial passender Größe einsammeln, so wie sie das mit Knospenschuppen und ähnlichen Partikeln tun. War also der Nutzen des eingetragenen Harzes so groß, dass via Mutation und Selektion Ameisen entstanden, die instinktiv möglichst das Harzangebot nutzen? Bisher lässt diese Frage sich nicht entscheiden; entsprechende Experimente wurden noch nicht gemacht oder jedenfalls nicht veröffentlicht.

Einige Fakten sprechen eher gegen das Eintragen von Harz zu Desinfektionszwecken:

- Es gibt Waldameisen in Nadelwäldern, wo man gewöhnlich recht viel Harz findet. Doch leben (zum Teil dieselben) Waldameisenarten auch in Laubwäldern, wo praktisch überhaupt kein Harz anfällt. Diese benötigen es also nicht für ein gesundes Überleben.

- Man kann beobachten, dass Waldameisen häufig Objekte geeigneter Größe als Nestmaterial eintragen, unabhängig davon, ob sie besonders geeignet sind. So findet man auf Nestern von Formica pratensis oft eine Deckschicht aus Kotklümpchen von Feldhase oder Kaninchen, sicher kein sehr hygienisches Material.

- Der Vizepräsident der DASW, Dieter Bretz, hat ein Nest von Formica polyctena abgebildet („Ameisenschutz aktuell“ 4/ 1998 Titelblatt), das völlig mit einer Schicht grauer Splittsteinchen bedeckt war. Die Ameisen hatten den Splitt von einem benachbarten Waldweg eingetragen.

- Verfehlt dürfte auch die Vorstellung sein, dass die Ameisen beim „Betreten“ des Nestes über das Harz laufen und dabei die Tarsen, die Füße, sterilisieren: Praktisch alles Nestmaterial, einschließlich der Harzklümpchen, wird nach oben auf die Nestkuppel geschafft (wo man auch ggf. das meiste Harz vorfindet). Die Nesteingänge, durch die Futtersammlerinnen ins Innere laufen, finden sich aber an der Basis des Hügels.

Insgesamt halte ich die ganze Geschichte für noch längst nicht endgültig geklärt. Sie ist aber ein gutes Beispiel dafür, wie altbekannte Fakten aufgegriffen werden, wie eine schöne Hypothese dazu konstruiert und veröffentlicht wird, und wie dann Journalisten die Hypothese bereits m.o.w. als bewiesene Tatsache darstellen. Laien spinnen den Faden weiter, und schon entsteht ein schönes Märchen.

A. Buschinger (16.11.05)


Termiten

Auch wenn das keine Ameisen sind, so wird in den Ameisenforen immer wieder mal das Thema aufgegriffen: Kann man Termiten halten?

Die Antwort ist klar: Ja!

Wie meistens kommt danach ein ABER, und wie immer muss man differenzieren, z.B. nach den Arten bzw. Familien oder Unterfamilien.

Das System umfasst 6 Familien. Im Überblick:

1. Fam. Mastotermitidae, enthält nur 1 Art, Mastotermes darwiniensis. Ihre ursprüngl. Merkmale sind : Eiablage in Paketen; Hinter-Flügel mit Analfeld wie Schaben. Ist wirtschaftlich wichtigste Termite Australiens ("Känguruh unter den Termiten"), frisst fast alle organischen Materialien. Fossil mehrere Arten in tertiären Sedimenten auch in Europa.

2. Fam. Kalotermitidae, Holztermiten, leben alle von Holz, ca. 330 Arten. Echte Arbeiterkaste fehlt, Arbeit wird von sog. PSEUDERGATEN ("Scheinarbeiter") verrichtet. Das sind Larven, deren Entwicklung auf bestimmtem Stadium anhält, obwohl sie sich weiter häuten. Können sich unter Umständen jederzeit weiterentwickeln bis zum Geschlechtstier.

3. Fam. Hodotermitidae, schließt 2 kleine Reliktgruppen (UF) ein, TERMOPSINAE und HODOTERMITINAE, je ca. 15 Arten. Termopsinae haben noch Pseudergaten, Hodotermitinae bereits echte Arbeiter als Endstadien der Entwicklung. Die Familie umfasst die sog. Erntetermiten, die in Steppengebieten Gras u.a. Pflanzenmaterial oberirdisch eintragen, sind daher pigmentiert im Gegensatz zu den meisten anderen Termiten.

4. Fam. Rhinotermitidae, Nasentermiten, ca. 170 Arten. Arbeiter sind Endstadium, das sich nicht weiter entwickeln kann und nicht mehr häutet. Ihre Stirndrüse ist besonders gut entwickelt und mündet, vor allem bei Soldaten, auf nasenartigem Stirnfortsatz ("wandelnde Pattextuben"). Große Völker, Königin wird sehr groß und fertil. Bauen Nester in Erde oder aus Holzkarton.

5. Fam. Serritermitidae besteht wieder nur aus 1 Art, aus Brasilien, lebt im Nestbereich anderer Termiten, hat spezialisierte säbelförmige Mandibeln.

Dies sind bisher alles „Niedere Termiten“.

6. Fam. Termitidae, Höhere Termiten, mit > 1.500 Arten größte und erfolgreichste Gruppe, oft große, oberirdische Nestbauten. Königin kann sehr groß und fertil werden. Stirndrüsen auch bei dieser Fam. gut entwickelt. Oft mehrere Arb.- und Soldatenkasten in 1 Art. Arbeiter und Soldaten sind alles Endstadien. Sind z.T. Allesfresser, und EIN TEIL der Termitidae sind Pilzzüchter (konvergent zu Blattschneiderameisen). Es gibt mehrere Unterfamilien.

(Soviel aus dem Text meiner ehemaligen Vorlesung „Soziale Insekten“).

Zurück zur Frage nach der Haltung:

Ungeeignet sind in jedem Fall die Termitidae, allein wegen ihrer riesigen Nester.

Geeignet sind einige Arten der Kalotermitidae: Sie haben kleine bis sehr kleine Völker, die in Holz wohnen und fressen. Außer verpilztem Holz benötigen sie nur noch eine geeignete Temperatur (um die 22-30 C) und eine gewisse Feuchtigkeit. Man unterscheidet sogar Feuchtholz- und Trockenholztermiten, je nach bevorzugten Bedingungen.

Zu diesen gehört die „Hamburger Termite“ (Reticulitermes flavipes; Herkunft: USA). Sie lässt sich über längere Zeit sehr simpel in einer Glaspetrischale mit feuchtem Löschpapier halten. Wenige Arbeiter (Pseudergaten) reichen zum Start einer Kolonie: Stets entwickelt sich daraus ein Königspaar. Besser geht es in natürlichem Holz auf einer Schicht von feucht gehaltenem „Vermiculit“ (http://www.vtt-group.com/vermicul.htm).

Nachteile: Die Termiten könnten freikommen und Holzbauteile in Gebäuden befallen.

Ein weiterer Nachteil: Man sieht sie nicht! Das ganze Leben spielt sich praktisch innerhalb des Holzes ab. Termiten generell bauen (koten!) alle Öffnungen, durch die Licht eindringt, sehr rasch zu.

Ähnliches gilt für die Trockenholztermite Kalotermes flavicollis, die v.a. im Mittelmeerbereich vorkommt, dort auch frei lebt und an diversen Holzpflanzen Schäden hervorruft. Ihr begegnet man nicht selten bei der Suche nach Ameisen in totem Holz.

Attraktiver wären die oberirdisch aktiven Erntetermiten, doch sind ihre im Boden gelegenen Nester und ihr Auslaufbereich bereits wieder so groß, dass in einem normalen Einfamilienhaus dafür gewiss nicht genügend Raum vorhanden ist.

Dass Termiten Beton oder Asphalt durchfressen sollen, ist ein Märchen. Allerdings hat die Bundesanstalt für Materialprüfung in Berlin über lange Zeit Materialen auf Termitenfestigkeit überprüft, wobei sich zeigte, dass Termiten sehr wohl in der Lage sind, z.B. Kunststoff - umhüllte Kabel anzunagen, ja dass selbst Bleiblech nicht vor ihnen sicher ist. Die Schauergeschichten rühren daher, dass die recht kleinen und schlanken Termiten halt jede Ritze in Beton oder Asphalt entdecken, frei räumen, und auf diesem Wege in Gebäude mit leckeren Holzmöbeln gelangen.

Fazit: Termitenhaltung ist nicht nur riskant, sondern auch unattraktiv.

A. Buschinger

Beschreibung

"Hügel" einer Großtermite (Termitidae) bei Maun, Botswana. Geeignet für: Freiland-Termitarium.