Ameisenstiche

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Ameisen können im allgemeinen mit ihren Kiefern (Mandibeln) beißen. Nur die Angehörigen der Unterfamilie Formicinae (darunter Formica = Waldameisen; Lasius = Wegameisen; Camponotus = Rossameisen) spritzen ein Giftsekret auf den Angreifer, entweder über einige Entfernung, oder aber direkt auf die Bissstelle. Als wirksame Substanz enthält das Sekret die Ameisensäure. Ebenso wie die Dolichoderinae haben die Formicinae den Wehrstachel reduziert.

Bei keiner Unterfamilie außer den Formicinae enthält das Gift Ameisensäure. Die Knotenameisen (Myrmicinae: Myrmica = Rote Knotenameisen; Tetramorium = Rasenameisen; Solenopsis = Diebs- und Feuerameisen u.v.a.) und die Urameisen (Ponerinae) haben Giftsekrete, die chemisch den Giften von Bienen und Wespen näher stehen. Wie bei diesen werden die Gifte auch von den Ameisen mit einem Wehrstachel in die Haut injiziert.

Die Wirkung der Gifte ist von Art zu Art verschieden, aber auch für die einzelne Art finden sich ganz erheblich unterschiedliche Angaben. So ist Paraponera clavata (eine sehr große Ponerine aus Süd- und Mittelamerika) als Bullet ant bekannt, deren Stich eben so schmerzhaft ist wie eine Gewehrkugel (engl. "bullet"). Es wird von zuverlässiger Seite berichtet, dass der Stich "ausgewachsene Männer zum Schreien bringt" und dass er drei Tage Bettlägerigkeit zur Folge haben kann. Von Händlern, die diese Art in Deutschland verkaufen, wird ihr Stich als eher harmlos beschrieben: "Hat einen Giftstachel, benutzt ihn aber nur bei Gefahr oder Nestzerstörung. Stich schmerzhaft wie Bienenstich."

Den Stich von Myrmecia gulosa (australische Myrmeciinae) empfand ich als schmerzhaft wie etwa einen Hornissenstich. Schmerz und Schwellung am Fuß gingen nach etwa einer Stunde zurück, bei Kühlung in kaltem Bachwasser.

Kürzlich hatte ich Gelegenheit, die Reaktion auf Stiche der einheimischen, sehr kleinen Rasenameisen (Tetramorium impurum) fotografisch zu dokumentieren. Während der Entnahme einiger Arbeiterinnen der Sklavenhalter-Art Strongylognathus alpinus (Abb. 1) gelang es Arbeiterinnen der Sklavenart Tetramorium impurum mich in die rechte Armbeuge zu stechen. Der Schmerz erinnert in etwa an den durch eine Brennnessel hervorgerufenen. Bild 2 und Bild 3 zeigen die unmittelbar, d.h. innerhalb weniger Minuten, auftretenden geröteten Schwellungen. Juckreiz und Quaddeln verschwinden nach ca. 6 Stunden fast völlig. Etwa 24 Stunden später tritt erneut ein leichter Juckreiz auf, der aber ebenfalls bald wieder verschwindet. Weitere Folgen waren nicht erkennbar.

Dies ist eine ganz normale Reaktion auf die Stiche der Rasenameise (ich bin nicht allergisch). Die erheblich größeren Roten Knotenameisen (Myrmica spp.) rufen eine ähnliche, etwas stärkere Hautreaktion hervor. Insbesondere können sie die menschliche Haut nicht nur an besonders weichen Stellen (Armbeuge, Innenseite des Handgelenks, zwischen Fingern oder Zehen) durchdringen, sondern auch in normalen Bereichen.

Die deutlich größere Manica rubida sticht nach eigener Erfahrung wiederum etwa so heftig wie eine Hornisse. Obwohl auch hier der Schmerz relativ rasch nachließ, war ein betroffener Fuß über mehrere Stunden stark angeschwollen, so dass es unmöglich war, einen Wanderstiefel darüber zu ziehen.

Besonders gefährlich können Stiche im Mund- und Rachenbereich werden. Dies geschieht zum Glück nicht allzu häufig, aber eine Myrmica könnte man schon mal beim Picknick verschlucken, wenn sie sich etwa unter süßem Gebäck oder Obst zu schaffen macht. Mir selbst gelang das Kunststück bei ungeschicktem Umgang mit einem Exhaustor (Saugrohr zum Einsammeln kleiner Insekten). Eine Myrmica rubra stach mich irgendwo im Bereich des Zäpfchens. Die unmittelbare Empfindung war die von lokal begrenzter eisiger Kälte. Der Rachenbereich schwoll an, meine Stimme wurde "piepsig", und das Atmen fiel schwer. Das Ganze geschah auf einer Exkursion mit rund 20 jungen Studierenden. So musste ich halt weiter dozieren. Zum Glück gingen Schwellung und Atembeschwerden bereits nach wenigen Minuten wieder zurück, so dass eine ärztliche Behandlung sich erübrigte. Unbekannt ist, ob die Ameise beim Stich ihre volle Ladung Giftsekret entleert hatte. Insbesondere für Allergiker empfiehlt sich also eine gewisse Vorsicht im Umgang mit solchen Ameisen.

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Abb. 1: Nest des Sklavenhalters Strongylognathus alpinus mit der Wirtsart Tetramorium impurum. Die sehr große Kolonie bewohnte den gesamten Steinhaufen. Foto 29.07.05, 9:39, bei Zermatt.

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Abb. 2: Nahaufnahme der Quaddeln in meiner Armbeuge, 29.07.05, 9:50

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Abb. 3: Übersicht der Quaddeln in der Armbeuge, 9:51. Etwa ein Dutzend Ameisen hatten gestochen.

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Ein Größenvergleich der im Text genannten Arten:

1 - eine große Pachycondyla sp., Südamerika. ST: Stachel

2 - Myrmecia sp. (eine der größten Arten); Australien, New South Wales. Dieses Exemplar lag scheintot als "Beute" im Nest einer viel kleineren Rhytidoponers sp. Beim Herausnehmen stach mich die "Leiche" in den Daumen.

3 - Manica rubida; einheimische Art, Stich nach meiner Erfahrung etwa wie der einer Hornisse.

4 - Myrmica rubra; einheimische Art. Eine solche stach mich in den Rachen (vgl. Text).

5 - Tetramorium impurum; einheimische Art. Sie verursachte die in obigen Bildern gezeigten Quaddeln.

Anmerkung: Die bisher als Tetramorium impurum bzw. T. caespitum bezeichneten Ameisen gehören zu einer Gruppe von mindestens 7 verschiedenen Arten, die morphologisch nur schwer zu unterscheiden sind. "Tetramorium cf impurum" bedeutet also, dass es sich um eine Art aus dieser Gruppe handelt. Da aus Hochgebirgslagen (2.000 m!) bisher nur T. impurum bekannt war, besteht eine recht hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass es sich bei der hier behandelten Spezies tatsächlich um T. impurum gehandelt hat. Per e-mail hat Herr Dr. Seifert kürzlich (Oktober 2007) bestätigt, dass die Tiere auch nach der neuen Systematik zu T. impurum zu rechnen sind. Eine DNA-Analyse zur Absicherung steht noch aus. Für eine weitere in den Alpen verbreitete Tetramorium-Art aus der T. caespitum/T. impurum-Gruppe wird in absehbarer Zeit ein gültiger Name veröffentlicht werden. (A. Buschinger, 27.10.2007)

(A. Buschinger)


Variable Folgen von Ameisenstichen

Immer wieder gibt es in den Ameisenforen Auseinandersetzungen darüber, wie schmerzhaft, gefährlich oder harmlos die Stiche von Ameisen sein sollen. Besonders weit gehen die Meinungen zu den Stichen der „24-Stunden-Ameise“ (Paraponera clavata), der Myrmecia-Arten und der Feuerameisen (Solenopsis invicta) auseinander.

Von schrecklichen Schmerzen, u.U. mit Todesfolge (bei Feuerameisen nachgewiesen), bis „harmlos wie ein Bienenstich“ (für Paraponera behauptet), „nicht schlimmer als Myrmica“ (für Feuerameisen) reichen die jeweils mit Überzeugung vorgetragenen Einschätzungen.

Trivial ist, dass die Arten unterschiedlich „giftig“ sind, dass kleinere Exemplare derselben Art meist weniger Gift enthalten als größere, und dass Menschen unterschiedlich empfindlich auf die Stiche reagieren.

Was nicht bedacht wird: Eine Ameise hat einen bestimmten Giftvorrat in ihrer Giftblase. Wenn dieser erschöpft ist, dauert es einige Zeit (Tage), bis wieder neues Gift synthetisiert ist.

Es macht also einen gewaltigen Unterschied, ob man von einer Myrmecia oder einer Paraponera den ersten Stich eines Tieres mit voller Giftblase abbekommt, oder einen zweiten, dritten, wenn schon weniger oder kaum noch Gift vorhanden ist!

Gerne wird das Beispiel der Amazonas-Indianer zitiert, die eine Anzahl Paraponera-Arbeiterinnen in Handschuhe füllen (angeblich sogar „einweben“), in die dann junge Männer als Initiationsritual ihre Hände stecken müssen, ohne Anzeichen von Schmerz zu zeigen.

Zitat aus einem Forum: „Das zeigt doch ganz eindeutig, dass der Stich nicht so gefährlich und schmerzhaft ist, wie oftmals beschrieben.“

Hier wurde nicht bedacht, dass die Ameisen bei der Prozedur des Fanges und Einbringens in den Handschuh sicher den größten Teil ihres Giftes bereits in das Material der Handschuhe oder in die zum Einfangen benutzten Hilfsmittel abgegeben haben. Die zahlreichen Stiche dürften dennoch schmerzhaft sein, aber sicher nicht so, als wenn der Kandidat die volle Dosis aus den Giftdrüsen von 20 und mehr dieser Ameisen abbekommen würde.

Zur Verdeutlichung: Sicher hat der eine oder andere bereits einmal von einer Wespe, die sich z.B. ins T-Shirt verflogen hat, mehrere Stiche nacheinander abbekommen. Der erste schwillt am stärksten an und ist am schmerzhaftesten. Der zweite hat bereits eine geringere Wirkung, und der dritte ist zwar auch noch spürbar, aber meist nur noch als ein Pieksen ohne länger anhaltende Folgen.